Von Bled will ich weiter nach Bovec, ungefähr 45km westlich von Bled. Eingebettet in einem Talkessel, ist Bovec der ideale Ausgangspunkt für Aktivitäten in den julischeu Alpen und dem Triglav Nationalpark, dem einzigen Nationalpark Sloweniens. Und genau das habe ich für die nächsten Tage geplant. Doch erst mal muss ich dorthin kommen. Da ich mit der Onlinesuchfunktion des Bussystems immer noch nicht klar komme, fragte ich in der Rezeption nach, wie ich mit dem Bus am besten nach Bovec komme. Doch der junge Mann hinter dem Tresen findet auch keine Verbindungen, obwohl es die doch eigentlich geben müsste. Am einfachsten wäre es, nach Ljubljana zu fahren und von dort aus nach Bovec, sagt er mir dann. Das entspricht einer Strecke von knapp 130km. Dann kommt ein Kollege hinzu und sagt, dass es immerhin eine Busverbindung zwischen Bovec und Kranjska Gora im Norden gebe. So müsse ich nicht erst in den Südosten nach Ljubljana fahren. Er schickt mir einen Link zum Onlinefahrplan. Immerhin die Hälfte der Strecke habe ich also geplant. Doch diese Strecke wird von einem anderer Busanbieter betrieben als die üblichen Busse von Arriva. Und das erklärt auch, warum ich in der Suche von Arriva keine Verbindungen angezeigt bekomme. Die Suche liefert nur Ergebnisse für Arriva-Busse. Und nicht nur das. Mittlerweile habe ich auch herausgefunden, dass die Suche nur Direktverbindungen anzeigt. Sobald die Verbindung auch nur einen Umstieg hat, liefert die Suche gar keine Ergebnisse. Man muss also wissen, von wo bis wo es Direktverbindungen gibt. Schwierig nur, wenn es weder einen Liniennetzplan noch feste Busnummern gibt. Doch ich lasse mich nicht abbringen. Mittlerweile habe ich einen Bus von Lesce-Bled nach Kranjska Gora gefunden und ebenso einen Bus von Bled Mlino nach Lesce-Bled, denn nochmal will ich die Strecke nicht laufen. Jetzt gilt es nur noch, die Abfahrtszeiten aus meinen drei separaten Suchfenster abzugleichen und mir eine Verbindung zusammenzustellen.
Und so mache ich mich am nächsten Morgen auf den Weg. An der ersten Bushaltestelle treffe ich andere Reisende, die ebenfalls über die Busse schimpfen und ihre Reisegeschichten erzählen. Der Bus kommt etwa 10 Minuten verspätet. Doch kein Problem, denn bis zu meinem nächsten Bus habe ich 50 Minuten Umsteigezeit. Doch dieser Bus kommt auch 10 Minuten verspätet und an meinem nächsten Umstieg habe ich nur 9 Minuten. Ziemlich knapp zumal mein Bus voller und voller wird und mit vielen Ein- und Ausstiegen auch immer mehr Verspätung einfährt. In Kranjska Gora kommen wir dann knapp 20 Minuten verspätet an – und mein dritter Bus ist weg. Zwei andere Reisende wollen ebenfalls diesen Bus nehmen und haben wie ich die Hoffnung, dass er vielleicht warten würde. Doch es ist kein Bus in Sicht. Blöd, denn der nächste fährt erst in vier Stunden. Ich gönne mir ein ausgiebiges Mittagessen und einen noch ausgiebigeren Kaffee und das bisschen, was ich in der Zeit Kranjska Gora sehe, gefällt mir eigentlich ganz gut. Doch eigentlich will ich nur weiter nach Bovec. Dann endlich kommt der Bus, gerade rechtzeitig bevor eine Gewitter mit Starkregen über uns hereinbricht.
Der Bus schlängelt sich durch den dichten Regen die Passstraße hoch über den Vrsic Pass. Zwischen den Wolken lugen ab und zu schroffe Berggipfel hervor. Auf der anderen Seite des Passes ist das Tal in ein Bad aus tiefhängenden Wolken getaucht. Ziemlich steil geht es bergab bis wir in der Talsohle ankommen und von hier an dem Flusslauf der Soča folgen. Mittlerweile ist die Wolkendecke aufgerissen. Die Sonne kämpft sich ihren Weg zurück und taucht das Tal in ein magisches Licht. Ich bin fasziniert von dieser Bergwelt und dem abendlichen Licht, will gleichzeitig jedoch nicht zu viel sehen, denn genau durch dieses Tal würde ich morgen wandern.
Für den heutigen Tag steht jedoch erst noch eine andere Wanderung an. Als ich in in Bovec ankomme und in meinem Hostel eingecheckt habe, mache ich mich noch auf den Weg zum Slap Virje Wasserfall. Der Weg führt zunächst über Felder, dann durch einen Wald. Der Boden ist von dem Regen noch ziemlich aufgeweicht. Das letzte Stück geht durch ein kleines Dorf und entlang einer Straße. Nach etwa einer Stunde erreiche ich den Parkplatz zum Wasserfall. Während ich bisher nur zwei Leute auf der Strecke gesehen habe, stehen hier doch einige Autos und es erwarten mich auch eine Handvoll Leute am Wasserfall. Ich schaue dem Treiben eine Weile zu, dann mache ich mich auf den Rückweg, um noch vor Sonnenuntergang wieder zurückzukommen. Der Rückweg führt mich noch zur Quelle des Glijuns und einem Stausee. Sanfter Nebel steigt über dem See auf und mit der Bergwelt im Hintergrund wird mir die Schönheit dieser Landschaft so richtig bewusst.
Am nächsten Tag stehe ich früh auf und nehme den Bus um 7 Uhr zur Quelle der Soča. Mit mir sind noch einige andere Wanderer im Bus. Der Bus fährt die selbe Strecke zurück, die ich gestern gekommen bin. Kurz vor dem Anstieg zum Pass steige ich aus. Von hier sind es noch knapp 2km bis zur Quelle der Soča. Zunächst geht es eine Straße entlang ziemlich steil bergauf. Die Straße endet an einer kleinen Gasthütte. Von hier führt ein Wanderweg immer weiter bergauf bis es irgendwann nur noch kletternd weitergeht. Die letzten Meter sind mit einem Stahlseil gesichert. Als ich um den letzten Fels blicke, sehe ich weniger Meter unter mir die Soča aus dem Fels sprudeln. Es kommt mir irgendwie surreal vor, dass das Wasser hier einfach aus dem Fels sprudelt. Wie hypnotisiert starre ich eine Weile auf die Felsspalte, dann beginne ich offiziell meine Wanderung entlang der Soča.
Zunächst geht es auf dem gleichen Weg zurück bis zur Berghütte. Dann nehme ich nicht die Straße zurück sondern folge dem Fußweg direkt an der Soča entlang. An einer flacheren Uferstelle koste ich das Bergwasser. Sehr erfrischend. Die Soča sollte für diesen Tag mein ständiger Begleiter werden und mich mit allem versorgen, was man auf so einer Wanderung braucht: Trinkwasser, ein kühles Bad, und tolle Aussichten. Hier oben ist die Soča noch relativ flach, jedoch geht es die ersten Kilometer ziemlich steil bergab. Die Landschaft wechselt ständig, mal öffnet sich der Blick ins Tal, mal laufe ich durch dichten Wald, mal auf sandigem Boden, über Felder und durch kleine Siedlungen. Es geht über mehrere Hängebrücken mal auf der linken, mal auf die rechten Seite der Soča entlang. Nach etwa der Hälfte der Strecke machte ich Pause. Hier hat sich die Soča eine etwa 3 Meter tiefe Schlucht in festeres Gestein gegraben. Die flachen Felsen oberhalb der Schlucht eignen sich prima als Pausenplatz mit einem grandiosen Ausblick ins Tal.
Bisher bin ich nur vereinzelt anderen Menschen begegnet bin. Doch das sollte sich jetzt ändern, denn das nächste Stück ist deutlich populärer. Die Schlucht wird immer tiefer und der Weg führt direkt am Abgrund entlang. Unter mir strahlt die Soča mit ihrem türkisblauen, glasklaren Wasser. Nach etwa fünf Kilometern öffnet sich die Schlucht und die Soča fließt in einem flachen Kiesbett. Hier hat sich ein natürlicher Kiesstrand geformt. Ein guter Ort für eine Pause. Und nach mittlerweile über 20km freue ich mich unglaublich auf eine Abkühlung. Die fällt bei nur um die 6 Grad Wassertemperatur dann aber doch recht kurz aus. Die Profis haben Neoprenanzüge dabei. Aber ich genüge mich mit einem kurzen Sprung ins kalte Wasser.
Von hier aus geht es weiter durch immer flacher werdendes Gelände. Das Tal weitet sich. Es geht über Wiesen und durch Wälder. Über eine Hängebrücke gelange ich auf die andere Uferseite während unter mir das türkisblaue, glasklare Wasser schimmert. In einer kleinen Bucht hat sich ein Sandstrand gebildet und die Farben erinnerten mich mehr an Karibik als and die Alpen. Wenig später erreiche ich einen Campingplatz und lasse die Soča nach über 25 km hinter mir. Es sind nur noch wenige Kilometer zurück bis nach Bovec. Ziemlich erschöpft aber auch ziemlich glücklich nach diesem tollen Tag erreiche ich mein Hostel, gerade rechtzeitig, bevor ein Gewitter hereinbricht.
Nach den ereignisreichen letzten Tagen, starte ich im nächsten Tag etwas gemütlicher in den Tag. Nach dem Frühstück gehe ich zu Fuß zu einem Kiesstrand an der Soča. Hier sind schon einige Rafter, Kayakfahrer, Wanderer, Radfahrer und Badegäste zugange. Der Kiesstrand bietet ausreichend Liegefläche und auch heute kann ich mir das kühle Bad nicht verkneifen.
Am Nachmittag nehme ich den Bus, der mich auf den Mangart Sattel bringt. Der Mangart ist der dritthöchste Berg in Slowenien und ist über eine Straße erreichbar. So spare ich mir die Höhenmeter zu Fuß. Allerdings ist die enge Serpentinenstraße nicht weniger schweißtreibend und ich hoffe sehr, dass die Lenkung und Bremsen des kleinen Sprintervans, in dem ich sitze, in besserem Zustand sind als die Anschnallgurte und die Scheiben, die weit verteilt kleine Löcher haben. Nach knapp einer Stunde Fahrtzeit hat der Bus seine Endstation auf 1900m erreicht. Ab hier ist die Straße wegen Felssturz gesperrt. Über einen Fußweg gehe ich weiter, zunächst zur Mangart Hütte und dann weiter auf den Mangart Sattel. Der Gipfel des Mangart ist nur über einen Klettersteig zu erreichen. Aber ich begnüge mich mit dem Sattel und die herrliche Aussicht, die sich mir bietet.
Direkt hier verläuft die Grenze zu Italien und unter mir sehe ich den Lago di Fusine schimmern. Am Horizont kann ich ein paar österreichische Berge sehen. Die Region war während des ersten und zweiten Weltkrieges stark umkämpft und direkt hier verlief nach dem zweiten Weltkrieg die Grenze zwischen Ost- und Westblock. Sehr zum Leidwesen der Bergsteiger. Die einfachste Route für die Besteigung des Mangart beginnt in Slowenien und geht dann über Italien und wieder zurück nach Slowenien. Nach dem zweiten Weltkrieg legten sowohl der slowenische als auch der italienische Alpenverein eigene Routen an, da ein Grenzübertritt nicht mehr möglich war. Heutzutage ist von der Grenze nichts mehr zu sehen und Alpinisten haben die freie Wahl, welche der nun drei Routen sie nehmen möchten.
Für den nächsten Tag steht dann das aufregendste Abenteuer im Sočatal an. Zusammen mit zwei Holländern und unserem Guide, fahren zum Sušec Canyon, etwa 10 min von Bovec entfernt. Nach einer knapp 30 minütigen Wanderung bergauf, ist es Zeit unsere Neoprenanzüge, den Klettergurt und Helm anzuziehen. Dann werden wir sprichwörtlich ins kalte Wasser geschmissen für eine Canyoningtour. Rutschend, springen, und abseilend geht es über kleinere und größere Wasserfälle, Naturpools, und steile Felswände. Nach kurzer Zeit habe ich den Dreh raus und meine anfängliche Angst verloren. Es macht sehr viel Spaß und der Abschluss, ein 12m hoher Wasserfall, durch den uns unser Guide abseilt, kommt viel zu schnell. Die Holländer melden sich für den nächsten Tag gleich für eine weitere Canyoningtour an. Ich hätte gerne das selbe getan, doch meine Zeit in den Bergen ist nach drei Tagen leider vorbei.
Gegen Mittag nehme ich den Bus zurück über den Vršič Pass nach Kransjka Gora. Dieses Mal reicht es auch gerade so für den Umstieg und ich sitze ich bald im Bus nach Ljubljana. In Lesce-Bled bekomme ich dann eine frohe Begleitung: Martina steigt nach zwei Tagen am Bleder See zu und wir werden die nächste Woche zusammen durch Slowenien reisen.
Mehr Infos zu meinen Touren gibt’s auf Komoot: