Es ist noch recht frisch als wir um kurz nach fünf aus dem Zelt kriechen. Dichter Tau und Nebelschwaden hängen im Tal unter uns, während die ersten Sonnenstrahlen die Bergspitzen in einem tiefen Orange leuchten lassen. Nach einem schnellen Frühstück machen wir uns auf den Weg. Bald hören wir Stimmen über uns – der Wanderweg zum Preikestolen kommt näher. Nach etwa einer Stunde erreichen wir den Abzweig. Als wir aus dem Wald heraustreten und ins Tal zurückblicken offenbart sich uns ein unglaublicher Ausblick. Das Tal ist in tiefhängende Wolken gehüllt, die Sonne strahlt uns entgegen, in etwas Entfernung glitzert der Fjord. Wir machen eine kurze Pause bevor wir uns für die letzten 1800m zum Preikestolen in die Reihe der anderen Wanderer einreihen. Es ist noch ungewohnt, auf einmal so viele Menschen zu sehen. Die letzten Tage sind uns seit Lysebotn nur fünf andere Wanderer begegnet, doch jetzt merkt man, dass der Preikestolen zu den Top-Wanderzielen Norwegens zählt. Über 300 000 Menschen besuchen ihn jedes Jahr. So früh am Morgen halten sich die Massen jedoch noch in Grenzen.
Während der Weg immer einfacher zu gehen ist (immer noch anspruchsvoll aber nichts im Vergleich zu den letzten Tagen), wird die Aussicht immer spektakulärer. Zunächst wandern wir den Bergkamm entlang Richtung Fjord. Unter uns sehen wir das Felsplateau, auf dem wir die Nacht zuvor gecampt haben. Wir kommen an kleinen Seen vorbei und kommen dem Fjord immer näher. Dann stehen wir plötzlich an der Kante. Noch eine Kurve und der Preikestolen kommt in Sicht. Die Aussicht ist einfach phänomenal! Der Fjord ist immer noch von Wolken bedeckt, die Sonne strahlt über uns, dazu die schroffen, grauen Felswände. Wir lassen diesen Anblick auf uns wirken, machen die obligatorischen Fotos, und suchen uns dann etwas entfernt ein Plätzchen für ein zweites Frühstück. Mittlerweile füllt sich der Preikestolen. Immer mehr Menschen strömen auf den Berg. Wo wir kurz zuvor noch ungestört unsere Fotos machen konnten, ist nun eine Schlange, um an den besten Fotospot zu kommen. Doch es lohnt sich, die Aussicht ist unbeschreiblich schön und ich kann gar nicht genug bekommen. So bleiben wir eine ganze Weile auf einem Felsvorsprung sitzen und beobachten das Treiben.
Auf dem Rückweg kommen uns immer mehr Menschen entgegen, die sich zu einem kontinuierlichen Strom formen. Wir kommen wieder an unserem Abzweig vorbei, folgen nun aber dem Weg zum Preikestolen Base Camp. Der Weg besteht überwiegend aus großen Felsstufen, die einen auf ziemlich direktem Weg nach unten (oder nach oben) bringen. Wir sind recht froh, nicht diesen Aufstieg genommen zu haben und von der anderen Seite des Tals ganz in unserem eigenen Tempo gehen zu können. Nun ist es ein ständiges Warten, Vorbeilassen, Überholen bis wir nach 1,5 Stunden am Base Camp ankommen. Uns grüßt das Hikers’ Cafe – genau das richtige für uns, denken wir und gönnen uns eine kühle Erfrischung während wir wir Erlebnisse der letzten Tage Revue passieren lassen.
Den Rest des Tages verbringen wir am nahegelegenen See, bis wir am späten Nachmittag den Bus zurück nach Stavanger nehmen. Am Abend geht unser Nachtzug nach Oslo und am nächsten Tag der Bus nach Stockholm. Eine unglaubliche Woche in Norwegen geht zu Ende. Das Land hat es mir echt angetan. Die Fjordlandschaft ist einfach super beeindruckend. Die Wanderwege haben es zwar in sich (auch wenn uns später Norweger erzählten, dass nicht alle Wanderwege in Norwegen so anspruchsvoll sind wie der Lysefjorden Rundt) man bekommt aber auch einiges geboten. Ich bin mir also sicher, dass ich bald wiederkommen werde.