Nördlich des Polarkreises

Schweden , 8. August 2020

250 km nördlich des Polarkreises liegt Abisko. Der kleine schwedische Ort ist hauptsächlich durch den nahegelegenen Nationalpark und den dortigen Ausgangspunkt des Kungsleden (ein 450km langer Fernwanderweg) bekannt. Ich habe noch einige Tage frei, bevor Ende August die Uni wieder losgeht, also beschließe ich, mir den Norden Schwedens anzuschauen. 

Die Anreise geht per Nachtzug von Stockholm aus. Am nächsten Morgen dann umsteigen im kleinen Städtchen Boden. Am Nachmittag komme ich in Kiruna an, der nördlichsten Stadt Schwedens. Schon bei der Anfahrt wird einem klar, warum es Kiruna so hoch im Norden und weit entfernt von anderen Städten zu Bedeutung und mit 17.000 Einwohnern auch zu einer relativ großen Bevölkerung gebracht hat: Die Eisenerzmine ist weithin sichtbar und prägt das Stadtbild. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wird hier Eisenerz abgebaut und mittlerweile gilt die Grube in Kiruna als größtes Eisenerz-Bergwerk der Welt. 

Nachdem ich mein Hostelzimmer für die Nacht bezogen habe, gehe ich auf einem Stadtrundgang. Nur wenige Minuten von meinem Hostel entfernt liegt die Kirche von Kiruna, umgeben von einem Park von Fjellbirken. Das Stadtzentrum ist schnell erkundet, und so mache ich mich auf den Weg zum Stadtberg Luossavaara. Im Winter dient er als Skihang, im Sommer als Aussichtspunkt für die Mitternachtssonne. Ich bekomme keines von beidem mit, doch die Aussicht ist trotzdem schön, auch wenn gerade ein Regenschauer aufzieht. 

Die Kirche von Kiruna

Fürs Abendessen entscheide ich mich fürs Strejk, einem einfachen Imbiss aber mit der Besonderheit, dass sie Elch- und Rentierfleisch anbieten. Beim Vorbeilaufen sieht der Imbiss nicht sonderlich einladend aus, denn er steht auf dem Parkplatz einer Tankstelle, direkt an einem großen Kreisverkehr. Doch das Sami-Zelt, das direkt daneben steht, ist dann doch ein Hingucker. Es lohnt sich, dem ersten Eindruck zu widerstehen, denn das Essen, das im Sami-Zelt bei Lagefeuer serviert wird, ist fantastisch. 

Am nächsten Tag schlendere ich durch den Gruvstadsparken, einem durch die Minenfirma LKAB angelegten Park, der als Pufferzone zwischen Stadt und Mine dient. Da sich die Mine immer weiter Richtung Stadt ausdehnt wird der Stadtkern seit 2010 einige Kilometer weiter nach Osten verlegt. Das Rathaus ist das erste neue Gebäude im neuen Stadtzentrum. Doch nicht alle Gebäude werden neu gebaut, teilweise werden auch existierende Gebäude an einen neuen Standort versetzt. So soll es mit der Kirche in den nächsten Jahren passieren. 

Blick vom Gruvstadsparken in Richtung Mine

Durch den Wandel des Stadtkerns aber auch den überall spürbaren Einfluss des Bergwerks strahlt Kiruna für mich keinen richtigen Flair aus. Es ist eine zweckmäßige Stadt und als ich in den Zug nach Abisko steige fällt es mir nicht schwer, Kiruna hinter mir zu lassen. 

Die Fahrt nach Abisko dauert nur eine Stunde und am Nachmittag ist noch ausreichend Zeit, um einen ersten Abstecher in den Nationalpark zu machen. Der Eingang zum Nationalpark liegt knapp 2km vom Ort Abisko entfernt. Der Weg führt etwas oberhalb des Ufers des Sees Torneträsk entlang und gibt bereits einen ersten Eindruck darauf, was mich in den nächsten Tagen landschaftlich erwartet. Das Naturum, das Infozentrum des Nationalparks, hat schon geschlossen, als ich dort ankomme, doch eine Karte über Wanderrouten im Park gibt es trotzdem noch. 

Der Weg entlang der Abiskojåkka Schlucht bis zum Ufer des Torneträsk scheint ein schöner Einstieg. Früher stürzte sich der Fluss Abiskojåkka über einen Wasserfall in die Tiefe. Im Jahr 1899, als der Bau der Bahnlinie zwischen Kiruna und der norwegischen Hafenstadt Narvik Abisko erreichte, stand man vor der Herausforderung, den Fluss zu überqueren. Anstatt eine Brücke zu bauen, sprengte man einen Tunnel in den Berg, um das Wasser unterirdisch laufen zu lassen und die Bahnlinie bequem über das Gestein zu bauen. Der sich daraus ergebende künstliche Tunnel hat seinen Reiz, doch noch viel mehr begeistert mich die Klarheit des Wassers. Man erkennt jeden einzelnen Stein im Wasser. Der Weg führt erst auf der linken Seite des Flusses entlang über einige Holzplattformen, die einen schönen Ausblick auf die Schlucht und den Torneträsk bieten. Dann geht es über eine kleine Brücke auf die rechte Uferseite. Da ich kein bestimmtes Ziel habe, laufe ich einfach ein wenig umher, biege mal links ab, mal rechts, bis ich das Ufer des Torneträsk erreiche.

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Da das Wasser hier hier schon so klar ist, kann ich mir kaum vorstellen, dass es noch besser werden kann. Doch der Rissajaure oder auch Trollsjön (auf deutsch: Trollsee) etwas außerhalb des Abisko Nationalpark gilt es der klarste und sauberste Sees Schwedens. Ein Ausflug dorthin steht am nächsten Tag auf meinem Plan. Das Wetter spielt auch mit: sonnig und knapp 20 Grad. 

Mit dem Linienbus geht es von Abisko etwa 25km Richtung Westen bis in die Nähe der Bahnstation Låktatjåkka. Die Parkplätze am Straßenrand sind schon zugeparkt, ein Geheimtipp, wie ich es gelesen habe, ist der Trollsjön also nicht mehr. So steigt auch die Mehrheit der Fahrgäste im Bus hier aus und begibt sich auf den Wanderweg zum See. Nach einem halben Kilometer erreiche ich den Bahnhof Låktatjåkka und überquere die Schienen. Einen wirklichen Übergang gibt es nicht, doch die Bahnlinie ist nur einspurig und kommt ein Zug, gibt er lautstark Signal. Passagierzüge fahren hier nur zweimal am Tag in jede Richtung, deutlich öfter kommen Güterzüge vorbei, die das in Kiruna abgebaute Eisenerz zum Hafen in Narvik transportieren. 

Hinter den Gleisen beginnt der Anstieg und der Ausblick wird mit jedem Höhenmeter besser. Den längsten Teil des Weges geht es durch das Kärkevagge Tal, das mit seinen riesigen Felsblöcken und Geröllablagerung aussieht wie der Spielplatz der Trolle. Am Ende des Tals, versteckt hinter einer Erhebung erwartet mich dann der Trollsjön. Im Licht der Sonne funkelt der See tiefblau, aus einem anderen Winkel jedoch, wird das Wasser fast komplett durchsichtig und man sieht bis auf den Grund. Das Wasser ist echt unglaublich klar. Ich habe gelesen, dass der See eine Sichttiefe von 34 Metern hat, vermutlich wäre sie sogar noch höher, doch tiefer ist der See nicht. 

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Ich suche mir auf einem der vielen Felsblöcken, die um den See liegen, ein ruhiges Plätzchen und genieße die Aussicht. Es herrscht schon etwas Trubel um den See, doch da das Ufer sehr zerklüftet ist und immer wieder größere Felsblöcke die Sicht versperren, findet man auch ruhigere Ecken. Als am Nachmittag der Himmel zuzieht, mache ich mich auf den Rückweg und freue mich auf die nächsten Tage, die mit weiteren tollen Wanderungen auf mich warten. 

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