Mit dem Nachtbus fahre ich von Castro direkt nach Santiago. Das dauert circa 15 Stunden und bringt mich knapp 1200km weiter nach Norden. Die Fahrt ist sehr angenehm und ich kann dank Liegesitzen überraschend gut schlafen. Und dank der Übungsfahrt nach Chiloé komme ich mittlerweile mit dem Bussystem auch besser klar.

Mein Hostel in Santiago liegt zwischen den touristischen Stadtteilen Lastarria und Bellavista und so gehe ich direkt los auf eine erste Stadttour. Der Mitarbeiter des Hostels gibt mir noch ein paar Verhaltensregeln mit an die Hand: nicht anquatschen lassen, immer auf die Tasche und Wertsachen achten, besonders wenn jemand von hinten kommt, keine Taxis von der Straße nehmen. Eine andere Reisende erzählt, dass ihr an einer Bushaltestelle das Handy aus der Hand gerissen wurde, als sie nach dem Weg schauen wollte. Ich bewege mich also recht vorsichtig und wachsam. Umso überraschender, dass überall in der Stadt Leute rumlaufen, die Pokémon Go spielen und dermaßen in ihre Handys vertieft sind, dass sie gar nichts mehr um sich herum mitbekommen.
Lastarria fühlt sich dann aber doch ziemlich sicher an. Es ist sehr touristisch, viele Restaurants, ein kleiner Markt und viel Security. Später gehe ich noch zum San-Cristóbal-Hügel. Hier führt eine Zahnradbahn hoch. Die Aussicht im Nachmittagslicht ist fantastisch und von hier oben sieht man, wie groß Santiago wirklich ist. Bevor es dunkel wird, mache ich mich auf den Rückweg ins Hostel.
Am nächsten Tag schließe ich mich einer Walking-Tour an. Es regnet, noch dazu ist es Sonntag und die Stadt ist wie leergefegt. Unser Guide erzählt uns, dass Chile zwar Vorreiter in der erdbebensicheren Architektur ist, die Kanalisation aber jedem Hauch von Regen kläglich versagt. Und tatsächlich, es regnet nicht einmal sonderlich stark, trotzdem sind nach kurzer Zeit die Straßen überschwemmt. Daher bleiben die meisten Chilenen lieber zuhause. Die Tour ist aber trotzdem klasse und ich lerne viel über die Geschichte Chiles, die Urbevölkerung und die Besiedelung durch die Spanier. Am Nachmittag schaue ich mir dann noch das Museum of Memory & Human Rights an. Auch das ist sehr empfehlenswert und sehr lehrreich für die neuere chilenische Geschichte.
Später spaziere ich zum Santa-Lucía-Hügel, einer kleinen grünen Insel mitten in der Stadt. Hier wurde im Jahr 1541 Santiago gegründet, doch der Hügel selbst blieb jahrhundertelang Brachland. Zum hundertjährigen Jubiläum der Unabhängigkeit im Jahr 1918 schenkten viele Länder Pflanzen und der Hügel wandelte sich in eine grüne Oase mitten in der Stadt. Nun finden sich hier neben Eukalyptusbäumen aus Australien Pflanzen aus aller Welt und sogar ein römischer Neptunbrunnen.
Für meinen letzten Tag in Santiago habe ich mir das präkolumbianische Museum aufgehoben. Hier finden sich Kunstobjekte der indigenen Kulturen und die Geschichte Chiles und Lateinamerikas, bevor die ersten Europäer Fuß auf den Kontinent setzten. Auch dieses Museum ist sehr interessant, besonders da ich nun schon einige verschiedene Regionen Chiles gesehen habe, die ganz eigene Kulturen und Traditionen haben, wie die Mapuche auf Chiloé oder auch mein nächstes Ziel: die Atacama-Wüste weit im Norden Chiles.
Es gibt drei Möglichkeiten, um die Atacamawüste zu erreichen. Erstens mit einer Tour von den Salzebenen in Bolivien kommend. Zweitens mit dem Flugzeug nach Calama, wo der nächstgelegene Flughafen liegt. Oder drittens mit dem Bus. Da ich aus dem Süden komme, scheidet die erste Option aus. Fliegen will ich weitestgehend vermeiden. Also bleibt noch der Bus. Da ich bisher mit dem Bussystem in Chile ganz gute Erfahrungen gemacht habe, freunde ich mich mit dem Gedanken an. Die Kehrseite: eine mehr als 24-stündige Reise. Ich packe ausreichend Proviant ein, lade mir Filme und Musik herunter und mache mich dann auf den Weg zum Busbahnhof. Es gibt einen Direktbus von Santiago nach Calama, im Norden Chiles. Fahrtzeit: 22 Stunden, Distanz: 1500km. Ich fahre mittags los, die ganze Nacht durch, und komme gegen 12 Uhr überraschend pünktlich in Calama an. Unterwegs hält der Bus in den größeren Städten, von denen es zugegebenermaßen nicht allzu viele gibt. Ich habe wieder einen Liegesitz und zwischendurch kommt ein Snackverkäufer durch, der am Straßenrand gewartet hat und etwas weiter wieder abgesetzt wird. Ich bin immer wieder überrascht, wie gut das alles läuft.

In Calama brauche ich noch einen Anschlussbus nach San Pedro de Atacama, dem Ausgangspunkt für alle Ausflüge in die Wüste. Online habe ich dazu nur recht beschauliche Informationen erhalten, daher hoffe ich, in Calama mehr herauszufinden. Im Warteraum des Busterminals finde ich auch einige Schalter der Busanbieter. Doch keiner von denen fährt nach San Pedro. Direkt nebenan finde ich ein weiteres Busterminal und verstehe, dass nicht alle Anbieter denselben Busbahnhof nutzen. Dort finde ich einen Anbieter, der nach San Pedro fährt, allerdings erst um 16 Uhr; das sind noch über drei Stunden Wartezeit und so viel gibt der Busbahnhof dann auch nicht her. Ich weiß von noch einem anderen Anbieter, der nach San Pedro fährt, und finde online die Adresse des Offices. Das liegt ein paar Ecken weiter, also mache ich mich auf den Weg dorthin. Und ich habe Glück: In einer halben Stunde fährt der nächste Bus. Ich kaufe mir ein Ticket und warte am Parkplatz nebenan auf den Bus. Die Zeit vergeht, doch kein Bus kommt. Dann kommt etwas Aufregung in die anderen wartenden Reisenden. Einige packen ihre Sachen zusammen und ziehen ab. Mit meinen wenigen Brocken Spanisch versuche ich, in Erfahrung zu bringen, was los ist. Die Frau vom Schalter erklärt, dass der Bus heute ausnahmsweise vom anderen Terminal abfährt – und zwar genau von dem Terminal, an dem ich ursprünglich ankam. Ein Mann, der ebenfalls auf den Bus wartet, bietet an, mir und zwei jungen Belgiern den Weg zu zeigen. Er erklärt auch, dass die Straße nach einem Unfall gesperrt ist und der Bus deshalb auf den anderen Busbahnhof ausweichen musste. Nachdem ich den richtigen Bus dann erreicht habe, geht die restliche Fahrt recht entspannt und nach knapp zwei Stunden bin ich in San Pedro de Atacama.








